Nachdem Dapagliflozin bereits seit einiger Zeit für Herzuinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion zugelassen war, erteilte Swissmedic nun eine Indikationserweiterung für Herzinsuffizienz mit leicht eingeschränkter oder erhaltener Auswurffraktion (HFmrEF oder HFpEF). Dieser Entscheid basiert auf Daten der DELIVER-Studie.

** Behandlung der chronischen symptomatischen ­linksventrikulären Herzinsuffizienz in Kombination mit ­anderen medikamentösen Therapien der Herz­insuffizienz bei erwachsenen Patienten [1].

 

Am 6. Februar 2023 hat Swissmedic Forxiga® (Dapagliflozin) zur Behandlung von Herzinsuffizienz über das gesamte Spektrum der linksventrikulären Auswurffraktion zugelassen. Dies unabhängig davon, ob bei den Pa­tienten gleichzeitig ein Typ-2-Diabetes besteht oder nicht [1,4]. Prof. Dr. med. Roger Hullin, Universitätsspital Lausanne, betonte: «Die wegweisenden Ergebnisse der DELIVER-Studie revolutionieren die Therapie der Herzinsuffizienz. Die heute erteilte Zulassung gibt den Ärzten ein pharmakologisches Werkzeug in die Hand, das die Therapieergebnisse für Patienten mit HFmrEF oder HFpEF deutlich verbessert und dessen Verträglichkeitssprofil aus früheren Studien bei Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Pumpfunktion sowie Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2D) oder Nierenfunktionseinschränkung bestens bekannt ist. Patienten mit erhaltener Auswurffraktion haben meist eine deutlich eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit und eine eingeschränkte Lebensqualität. Bislang existieren nur sehr wenige Optionen zur Behandlung dieser Betroffenen, Dapagliflozin wird bei diesen Pa­tien­ten von grossem Nutzen sein» [4].

 

DELIVER-Studie
Die DELIVER-Studie war eine internationale randomisiert-kontrollierte, doppelblinde, ereignisgesteuerte Phase-III-Studie mit parallelen Gruppen, in der die Wirksamkeit von Dapagliflozin bei der Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz und einer LVEF von mehr als 40%, mit oder ohne Typ-2-Diabetes (T2D), mit Placebo verglichen wurde. Dapagliflozin wurde einmal täglich zusätzlich zur Hintergrundtherapie (regionale Standardtherapie für alle Begleiterkrankungen, einschliesslich Diabetes und Hypertonie, mit Ausnahme der gleichzeitigen Anwendung eines SGLT-2-Inhibitors) gegeben [2]. DELIVER ist mit 6263 randomisierten Patienten die bisher grösste klinische Studie an Herzinsuffiizienzpatienten mit einer LVEF über 40% [2,10]. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zum ersten Auftreten von kardiovaskulärem Tod, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz (HHI) oder dringendem Arztbesuch wegen Herzinsuffizienz (HI). Sekundäre Endpunkte umfassten die Gesamtzahl von Herzinsuffizienz-Ereignissen (HHI oder dringender Arztbesuch wegen HI) und kardiovaskuläre Todesfälle, Änderung im Gesamtsymptomscore des Fragebogens «Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire» nach acht Monaten gegenüber dem Ausgangswert, Zeitspanne bis zum kardiovaskulär bedingten Tod bzw. bis zum Tod jedweder Ursache [2].

Forxiga® setzt neue Massstäbe für die Behandlung der Herzinsuffizienz

Die Zulassung durch Swissmedic stützt sich auf die positiven Ergebnisse aus der wegweisenden Phase-III-Studie DELIVER, welche im The New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden und gezeigt haben, dass Dapagliflozin zu einer statistisch signifikanten und klinisch bedeutsamen Reduktion der kardiovaskulären Mortalität oder Verschlechterung der Herz­insuf­fi­zienz gegenüber Placebo führt [2]. Und zwar reduzierte Dapagliflozin den kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod oder Verschlechterung der Herzinsuffizienz signifikant um 18% (16,4% in der Dapagliflozin-Gruppe gegenüber 19,5% in der Placebo-Gruppe; ARR$ 3,1%) über einen medianen Beobachtungszeitraum von 2,3 Jahren. Alle Einzelkomponenten trugen zur Überlegenheit beim primären Endpunkt bei. Die Ergebnisse waren in wichtigen untersuchten Subgruppen einheitlich und erweitern den Nutzen von Forxiga® auf das gesamte Spektrum von Patienten mit Herzinsuffizienz, unabhängig vom Status der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF). Die Studienergebnisse zeigten ausserdem einen auf die Symptomatik bezogenen Nutzen bei der Patientenselbstbeurteilung (PRO/Patient Reported Outcome), welche anhand des Gesamt-Symptomscores im Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ) ermittelt wurde [2].

$ ARR=absolute Risikoreduktion

Die Indikationausdehnung ist auch vor dem Hintergund gerechtfertigt, dass eine vorspezifizierte, gepoolte Analyse der Phase-III-Studien DAPA-HF (bei HFrEF-Patienten) und DELIVER einen Mortalitätsvorteil für Dapagliflozin im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit Herzinsuffizienz belegte [3]. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 22 Monaten zeigte sich eine wesentliche Risikoreduktion unter SGLT-2-i-Therapie: Das Risiko eines kardiovaskulären Todes verringerte sich unter Dapagliflozin um 14% (HR: 0,86; 95%-KI: 0,76–0,97; p=0,01; ARR: 1,5%), das Risiko der Gesamtmortalität um 10% (HR: 0,90; 95%-KI: 0,82–0,99; p=0,03; ARR: 1,5%) und die Gesamtzahl der initialen und wiederholten Hospitalisierungen wegen Herzinsuffzienz um 29% (HR: 0,71; 95%-KI: 0,65–0,78; p<0,001, ARR: 6%) [3].

 

Herzinsuffizienz: hoher «Burden of disease» 
Weltweit betrifft Herzinsuffizienz fast 64 Millionen Menschen und in der Schweiz gibt es rund 150’000–200’000 Herzinsuffizienz-Patienten [5,6,14]. Chronische Herzinsuffizienz stellt bei über 65-Jährigen die häufigste Ursache für Hospitalisierungen dar und ist mit einer erheblichen Morbidität und Mor­ta­lität verbunden [7]. Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) gibt denjenigen Prozentanteil des Blutes an, der bei jeder Kontraktion aus dem Herzen ausgeworfen wird: HFrEF (LVEF ≤40%), HFmrEF (LVEF von 41–49%) und HFpEF (LVEF von ≥50%) [8]. Etwa die Hälfte aller Herzinsuffizienzpatienten leidet an HFmrEF oder HFpEF, für welche nur wenige Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen [8,9].

 

Leitliniengerechte und gut verträgliche Therapieoption für weitere Indikationen

Das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil von Dapagliflozin in der Phase-III-Studie DELIVER entsprach dem bekannten Sicherheitsprofil [1,2,4]. Mit einer einmal täglichen Dosierung von 10 mg, ohne Titration, bietet Dapagliflozin eine nahtlose Integration in jedes Herzinsuffizienz-Regime. Dabei kann Forxiga® ohne Veränderung der bestehenden Herzinsufffizienz-Medikation oder -Dosierungen verschrieben werden [1]. Dapagliflozin war in der Schweiz der erste zugelassene SGLT-2-Inhibitor für die Behandlung der HFrEF bei Patienten mit und ohne T2D [1]. Davor wurde Dapagliflozin zunächst zur Behandlung des T2D zugelassen und etwas später für T2D-Patienten mit und ohne kardiovaskulärer ErkrankungΔ alss add-on zur Standardtherapie zur Reduktion des Risikos von Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierung oder kardiovaskulär bedingtem Tod [1,4,13]. Aktuell ist Dapagliflozin überdies der erste und einzige SGLT-2-Hemmer, der zur Behandlung der CKD bei Erwachsenen mit und ohne T2D kassenzulässig ist [1,11,13].§ ¶

Δ Patienten ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung mit folgenden Risikofaktoren: Alter ≥55 (Männer), ≥60 Jahre (Frauen) u. Dyslipidämie, Hypertonie oder Rauchen oder Patienten mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung.
§ Forxiga® ist indiziert zur Senkung des Risikos der Progression einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) bei erwachsenen Patienten mit CKD [1].
 Bei erwachsenen Patienten mit CKD seit mindestens 3 Monaten mit einer eGFR von 25–75 ml/min per 1,73 m2 und einem ­Albumin-Kreatinin-Quotient im Urin von >20 mg/mmol (>200 mg/g). In Ergänzung zur individuell ­optimierten Standardtherapie mit einem ACE-Hemmer oder einem Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten oder falls diese Therapien kontraindiziert sind oder aufgrund von klinisch relevanten Nebenwirkungen abgebrochen werden mussten. Keine Vergütung bei Patienten mit einem Typ-1-Diabetes mellitus oder ­einer polyzystischen Nierenerkrankung [13].

Quelle: AstraZeneca

Literatur:

  1. Arzneimittelinformation, www.swissmedicinfo.ch, letzter Abruf 06.03.23.
  2. Solomon S, et al.: Dapagliflozin in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med 2022; 387(12): 1089–1098.
  3. Jhund P, et al. Dapagliflozin across the range of ejection fraction in patients with heart failure: a patient-level, pooled meta-analysis of DAPA-HF and DELIVER. Nature Medicine 2022 Aug 27. doi: 10.1038/s41591-022-01971-4. Epub ahead of print. PMID: 36030328.
  4. «Forxiga® (Dapagliflozin) neu zur Behandlung der Herzinsuffizienz über das gesamte Spektrum der linksventrikulären Ejektionsfraktion zugelassen», AstraZeneca, 08.02.2023.
  5. Vos T, et al.: Global, regional, and national incidence, prevalence, and years lived with disability for 328 diseases and injuries for 195 countries, 1990–2016: A systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. Lancet 2017; 390(10100): 1211–1259.
  6. Mozaffarian D, et al.: Heart disease and stroke statistics – 2016 update. Circulation 2016; 133(4): e38–360.
  7. Azad N, et al.: Management of chronic heart failure in the older population. J Geriatr Cardiol 2014; 11(4): 329–337.
  8. Heidenreich PA, et al.: 2022 AHA/ACC/HFSA Guideline for the Management of Heart Failure: A report of the American College of Cardiology/American Heart Association Joint Committee on Clinical Practice Guidelines. J Am Coll Cardiol 2022; 79(17): e263-421
  9. Dunlay SM, et al.: Epidemiology of heart failure with preserved ejection fraction. Nat Rev Cardiol 2017; 14(10): 591–602.
  10. 10. Dapagliflozin Evaluation to Improve the LIVEs of Patients With Preserved Ejection Fraction Heart Failure, https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03619213, (letzter Abruf 06.03.2023)
  11. Heerspink HJL, et al.: Dapagliflozin in patients with chronic kidney disease. N Engl J Med 2020; 383(15): 1436–1446.
  12. 12. Wiviott SD, et al.: for the DECLARE-TIMI 58 Investigators. Dapagliflozin and cardiovascular outcomes in type-2 diabetes [article and supplementary appendix]. N Engl J Med 2019; 380(4): 347–357.
  13. Spezialitätenliste, www.spezialitätenliste.ch, letzter Abruf am 01.02.2023
  14. Dapagliflozin Effects on Cardiovascular Events in Patients With an Acute Heart Attack (DAPA-MI), https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04564742, (letzter Abruf 06.03.2023).

HAUSARZT PRAXIS 2023; 18(3): 36–37