Gefühlt nehmen die Fälle von schwerem Asthma in den vergangenen Jahren stetig zu. Dies mag nicht zuletzt auch an der Entwicklung der Biologika liegen, lässt sich dank ihnen auf eine Diagnose inzwischen doch eine wirksame Therapie einleiten. Tatsächlich scheint es aber weit weniger schwere Asthmatiker als vielmehr Difficult-to-treat-Patienten zu geben. Um diese Patientengruppen zu identifizieren und voneinander zu unterscheiden, benötigt es jedoch Arbeit.

Die Definition des schweren Asthmas ist seit dem GINA-Report 2022 [1] eigentlich klar formuliert: Trotz Hochdosis von ICS/LABA (oder bei Reduktion dieser) trifft bei dem Patienten mindestens einer der folgenden Punkte zu bzw. würde bei einer Reduktion der Therapie zutreffen:

  • Schlechte Symptomkontrolle: ACQ >1,5, ACT <20
  • Häufige Anfälle: ≥2 OCS-Stosstherapien/Jahr (>3 Tage)
  • Schwerer Asthmaanfall: Hospitalisation, ICU oder «intubationspflichtig» im letzten Jahr
  • Atemwegsobstruktion: FEV1 <80%PB predicted

Um die Definition eines schweren Asthmas erfüllen zu können, benötigt man laut der GINA-Leit­linien eine Hochdosis ICS/LABA. Betrachtet man den bevorzugten Behandlungsweg (Track 1) der GINA-Empfehlungen, ist dies aber nicht gegeben, da auf Step 4 lediglich eine mittlere Erhaltungsdosis ICS/Formoterol empfohlen wird. Nur im alternativen Track 2 wird die ICS/LABA-Kombi in Hochdosis erwähnt (Abb. 1). In der kürzlich publizierten fachärztlichen S2k-Leitlinie [2] der DGP wurde dies gegenüber GINA und der NVL bereits angepasst. 

 

Difficult to treat ist laut Definition dagegen ein Asthma, das

  • trotz einem Medium- oder Hochdosis-ICS mit einem zweiten Controller unkontrolliert ist
  • eine Hochdosis-Therapie benötigt, um eine gute Symptomkontrolle und Reduzierung des Exazerbationsrisikos zu behalten

Ausserdem müssen in vielen Fällen zunächst modifizierbare Faktoren wie eine (in)korrekte Inhalationstechnik, schlechte Adhärenz, Komorbiditäten oder eine eventuell falsch gestellte Diagnose abgeklärt werden, ehe man final ein schweres oder ein Difficult-to-treat-Asthma feststellen kann.

«Wenn der Patient nun für ein Difficult-to-treat-Asthma eine hohe Dosis ICS/LABA benötigen muss, um Symptomkontrolle zu haben und das Exazerbatiosrisiko zu vermeiden, muss man konstatieren, dass diese Beschreibung genauso auf ein schweres Asthma zutrifft», stellte Prof. Dr. Marco Idzko, Klinische Abteilung für Pulmologie, Universitätsklinik Wien (A), fest [3]. «Wir sehen also: Selbst bei GINA gibt es keinen klaren Unterschied zwischen severe asthma und difficult-to-treat asthma.»

Anzahl schwerer Asthmatiker nur 1%?

Eine australische Studie [4] hat sich mehr als 1,8 Millionen Asthmatiker angesehen, ohne dabei auf Symptomkontrolle, Inhalationstechnik, Komorbiditäten oder Adhärenz zu achten, sondern einzig die Verschreibungszahlen berücksichtigt (Abb. 2). Wenn ein Patient in den zurückliegenden sechs Monaten mindestens viermal eine Hochdosis ICS/LABA bekommen hat, wurde er als Difficult-to-treat-Asthmatiker eingestuft. Bekam ein solcher Patient zusätzlich eine orale Glukokortikoid-Dosis verschrieben, die für die Abdeckung von zwei Exazerbationen ausreichte, wurde er als unkontrollierte difficult-to treat und somit als schwerer Asthmatiker betrachtet. Diese Gruppe entsprach 2,6% der Gesamtpopulation. «Rechnen wir da noch Komorbiditäten und fehlende Adhärenz heraus, bleiben vielleicht gerade einmal 1% schwere Asthmatiker übrig», meinte Prof. Idzko.

 

Zur Frage, wie man bei seinen Patienten vorgehen sollte, rief der Experte wiederum die Vorgaben der Leitlinie in Erinnerung: «Verinnerlichen Sie bitte, was wir laut GINA alles machen müssten, ehe wir überhaupt über ein Biologikum nachdenken dürften. Das ist richtig viel Arbeit!» Diese beginne zunächst bei der Überprüfung der Inhalationstechnik, der Adhärenz und Komorbiditäten wie GERD, chronische Rhinosinusitis oder OSA, geht über die Abklärung eines eventuellen Übergebrauchs des SABA-Relievers bis hin zu potenziellen Medikamenten-Nebenwirkungen. Daran folgt eine Optimierung des therapeutischen Managements inklusive der Einbeziehung nicht-pharmakologischer Interventionen (Rauchstopp, Gewichtsverlust, Influenza- bzw. COVID-19-Vakzinierung). Erst wenn all diese Faktoren überprüft wurden und die Erkrankung nach 3–6 Monaten immer noch unkontrolliert ist, könne man von einem schweren Asthma sprechen. «Und dann geht es erst richtig los: Autoimmunerkrankungen müssen abgeklärt werden, IgG, IgE, IgM, ein CT muss erstellt werden, Differenzialdiagnosen wie COPD, Bronchiektasen, CF, VCD, Asthma cardiale und Tumoren müssen ausgeschlossen werden, ebenso Erkrankungen ohne regelhaft vorliegende obstruktive Ventilationsstörung, u.a. chronische Bronchitis, Sarkoidose, Pneumothorax eosinophile Bronchitis oder Bronchiolitis.» Den Kardiologen aussen vorgelassen, müsste laut der neuen fachärztlichen Leitlinie [2] allein von pneumologischer Seite jeder Patient ein CT-Thorax und eine Messung der Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO) bekommen, die komplette Rheuma-Serologie sollte abgenommen werden, gegebenenfalls sollten eine Bronchoskopie mit BAL und Biopsie vorgenommen werden.

Zusammenfassend sei es zwar nachvollziehbar, dem Patienten lieber gleich ein Biologikum zu geben, statt mit ihm das beschriebenen Vorgehen zu durchlaufen, zumal Biologika auch bei Difficult-to-treat-Patienten gut anschlagen. Doch wenn Leitlinien und treatable traits berücksichtigt werden, zeige sich laut Prof. Idzko, dass die Zahl der schweren Asthmatiker weit unter den 5–10% liege, die oft kolportiert würden. Wenn sich ein Patient mit einem unkontrollierten Asthma vorstellt, sollte man zuvorderst an ein Difficult-to-treat-Asthma denken – «schweres Asthma ist im Grunde eine Ausschlussdiagnose und benötigt ein intensives Work-up, bevor wir die Diagnose wirklich stellen können.»

Kongress: DGP 2023

 

Literatur:

  1. Global Initiative for Asthma. Global Strategy for Asthma Management and Prevention (2022 update); https://ginasthma.org/wp-content/uploads/2022/07/GINA-Main-Report-2022-FINAL-22-07-01-WMS.pdf.
  2. Lommatzsch M, Criee CP, De Jong C, et al.: S2k-Leitlinie zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma 2023, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.; März 2023; AWMF-Registernr.: 020-009.
  3. Idzko M: Vortrag «Schweres Asthma: Nicht so häufig, wie man denkt» im Rahmen des Symposiums «Seltene Lungenerkrankungen: der Ursache auf der Spur». 63. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. in Düsseldorf, 1.04.2023.
  4. Wark PAB, Hew M, Xu Y, et al.: Regional variation in prevalence of difficult-to-treat asthma and oral corticosteroid use for patients in Australia: heat map analysis. Journal of Asthma 2023; 60: 727–736; doi: 10.1080/02770903.2022.2093217.

 

InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2023; 5(2): 40–42 (veröffentlicht am 2.6.23, ahead of print)